Kommunität Imshausen

Einkehrtage in der Passionszeit - Erfahrungen

Die Passion von Jesus Christus durchwebt die Gegenwart

In einer Gruppe von ca. 30 Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Konfessionen erlebten wir während der Karwoche auf vielfältige Art und Weise, wie die Passion, der Leidensweg von Jesus Christus, die Gegenwart durchwebt.

Von unserer Ankunft am Kar-Mittwoch bis zum Ostersonntag kommunizierten wir durchgehend in der Stille, die so treffend in der Runde der TeilnehmerInnen als "Muttersprache Gottes" beschrieben wurde ( Hermann). Ein roter Faden von aktuellen geistigen Impulsen zog sich durch die gesamte Zeit. Sie bestanden aus Filmsequenzen des französischen Spielfilms „Von Menschen und Göttern“ aus dem Jahr 2010, der ein reales Geschehen zum Inhalt hat. Er handelt vom Leben von 9 Trappisten-Mönchen, die im Kloster Notre-Dame d`Atlas, in Tibhirine im algerischen Atlas Gebirge bis 1996 lebten. Sie lebten bis zu ihrer Verschleppung und Ermordung friedlich und mit der vorwiegend muslimischen Bevölkerung im Einklang. Das Ringen der Mönche um die Frage des Aushaltens oder Aufgebens ist das ergreifende Thema des Filmes. Die Stimmung bewegt sich zwischen Todesangst und Gottvertrauen. Einzelne Textpassagen aus dem Film, von Pater Christian de Chergé, dem Leiter der Trappistenmönche in der Karwoche 1994 im Zugehen auf das gemeinsame Osterfest im Kloster formuliert, lagen allen TeilnehmerInnen in ausgedruckter Form vor und gaben wertvolle Impulse. Jeder konnte sie in der Stille, das Martyrium der Liebe, das Martyrium der Unschuld, und das Testament von Pater Christian betreffend, tiefer wirken lassen.

Einer der Höhepunkte der stillen Karwoche war sicherlich das festliche Gründonnerstags-Abendmahl. Mehr als 70 Menschen fanden Platz an der riesigen Tafelrunde, die mich ( Maria) an Leonardo daVinci´s berühmtes Gemälde vom letzten Abendmahl erinnerte. Hier wurde das Schweigen für eine kleine Zeit unterbrochen, um im Gespräch mit den Tischnachbarn darüber nachzudenken, wie unsere tätige Liebe im Alltag aussehen kann.

Eine wichtige Veränderung bestand für uns in der Verlagerung des Kreuzwegs am Karfreitag von der stillen und beschaulichen Natur des Tannenhofes nach Bebra. An 5 ausgesuchten Stationen wurde die Leidensgeschichte aus dem Evangelium gelesen und mit einem aktuellen Thema unserer direkten Umwelt in Verbindung gebracht. Diese wurden in Gebet, Fürbitte und Gesang bedacht. Treffpunkt war das neue, im letzten Jahr „ruck zuck hochgezogene Altenheim“ in leuchtendem Orange, direkt gegenüber dem Bahnhof gelegen. Schnell vergessen wird, welche schweren Schicksale sich hinter dieser bunten Fassade verbergen. Drei Lebensschicksale von alternden Menschen und der Verzweiflung ihrer Angehörigen wurden uns hier eindrücklich vorgestellt.

Im Pilgerzug, der für jeden Interessierten offen war, zogen wir weiter, bis zum Schaufenster des Geschäftes „Geiz ist Geil“. Der Name bot reichlich Anregung, über Konsumhaltungen und Produktionsbedingungen einzelner Alltagsartikel nachzudenken. Das Beispiel einer Gruppe von Näherinnen in Bangladesh war uns dabei besonders präsent. Diese Frauen arbeiteten für einen Hungerlohn und kamen bei einem Brand ums Leben. Wir gedachten ihrer und ihrer Angehörigen stellvertretend für unzählige solcher Schicksale in Fürbitte und Gebet.

Die nächste Station war das Haus der Diakonie . Hier wurde die Armut in Deutschland thematisiert. Jeder Bedürftige bekommt an diesem Ort täglich eine Tasse Kaffee und etwas zu Essen sowie die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch. Es gibt ein Angebot für Ergotherapie für Kinder sowie eine Niederlassung der Bebra Tafel.

Von hier ging der Pilgerzug weiter zum örtlichen E-Werk. Unser Planet mit Tier und Pflanzenwelt stand hier im Fokus. Wie können wir ihn schützen, wie kann er gesunden, was können wir dazu beitragen? Zentrales Thema war die Frage, was wir mit Fort-schritt eigentlich meinen, wohin wollen wir fortschreiten, was kann jeder von uns tun?

Schließlich endete der Kreuzweg am Brunnen der Völkerverständigung, der als Kunstwerk an die über 50 Nationen erinnert, die in Bebra beheimatet sind. Ein Gedanke brachte unsere Sehnsucht auf den Punkt: Der muslimische Nachbar sagte zum Christen: „Wenn man nur gemeinsam im Ziehbrunnen des Gebetes genügend tief gräbt, stößt man auf das Wasser Gottes.“

Es war ein eindrücklicher Weg, der aus dem beschaulichen Kokon des Tannenhofes in Imshausen herausführte und bewusst nach Außen ging mit dem Aufruf: Schaut mal hin! Was sich alles so nah vor unserer Tür zeigt und in Verantwortung und Gebet genommen werden möchte!

Es ging in diesen Tagen eigentlich um die Hauptthemen unserer Zeit, die, wenn man sie nüchtern betrachtet, schnell Gefühle von Angst und Hoffnungslosigkeit aufkommen lassen.

Wie wollen wir das alles lösen? Worauf steuern wir zu?

Ein Satz aus den vielen Texten von Bruder Christian de Chergé beschäftigte mich (Cordula) besonders während dieser Tage und auch weiter nach meiner Rückkehr in meinen Alltag:

Er spricht in seinem Testament von der… „Gabe des Geistes, dessen tiefverborgene Freude immer die sein wird, die Gemeinschaft zu begründen und die Ähnlichkeit wiederherzustellen, indem er mit all den Unterschieden unter den Menschen spielt…“ Von diesem Geist war in den Einkehrtagen sehr viel spürbar. Er entstand nicht zuletzt durch gemeinsames Schweigen und gemeinsames Singen, orientiert am Leidensweg von Jesus Christus, seinem Tod und seiner Auferstehung. Die gemeinsame Stille hatte in manchen Momenten eine besonders große Dichte und Tiefe. Die Kraft dieser tiefen Ostergemeinschaft nehmen wir dankbar mit in unseren Alltag.

Sie hilft, vor den aktuellen großen Herausforderungen nicht die Augen zu verschließen.

Und am Ende fehlte auch nicht der Osterjubel, das Singen der Osterlieder an den Gräbern, die Freude über die Auferstehung, die uns mit Hoffnung erfüllt.

Cordula Dietrich, Maria Keuck, Hermann Dietrich, Ostern 2013

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